Rücksendewahn der Deutschen – bald das Aus für kleine Online-Händler?

31.07.2013 von Jens Martin Baumgartner

Paket Box„Schrei vor Glück – oder schick’s zurück!“ – mit diesem Slogan warb der Online-Händler Zalando 2008. Doch wenn man heute auf die Homepage des Online-Riesen blickt, ist der zweite Werbespruch verschwunden. Zwar können Kunden weiterhin Online bestellte Ware kostenlos zurückschicken, allerdings werden sie nicht mehr offensiv dazu aufgefordert. Denn jeder zweite Artikel wird bei Zalando nach eigenen Angaben wieder zurückgeschickt. Auf den Versandkosten bleibt das Unternehmen sitzen. Doch nach der neuen EU- Verbraucherrechterichtlinie, die im Juni 2014 in Kraft treten wird, können Online-Händler selbst entscheiden, ob künftig die Verbraucher die Rücksendekosten tragen oder sie selbst.

In dem Artikel „Der Graus eines jeden Online-Händlers – das Widerrufsrecht“ haben wir bereits diese und andere Regelungen in der neuen EU-Richtlinie näher beschrieben.
Doch ist es wirklich ratsam für Unternehmen im Online-Handel künftig die Rücksendekosten den Verbrauchern aufzuerlegen?

Großunternehmen wollen weiterhin Rücksendekosten übernehmen

Für viele kleine Unternehmen ist die Retourenquote ein existentieller Faktor und kann über Erfolg oder Misserfolg eines Online-Shops entscheiden. So ist es nicht überraschend, dass laut der Regensburger Studie: „Retourenmanagement im Online-Handel – das beste daraus machen“, 76 % der befragten Unternehmen planen, nach der Einführung der neuen EU-Verbaucherrecht-Richtlinie 2014, künftig die Retourenkosten im Retourenfall vom Kunden tragen zu lassen. Allerdings besteht der größte Teil der Befragten zu 83 Prozent aus kleinen Unternehmen.

Großunternehmen zeigen sich bei Rücksendungen oft kulanter als sie vom Gesetz müssten. Die Verbraucherzentrale NRW hat die 50 umsatzstärksten Online-Shops darauf hin getestet, wie diese mit den aktuell geltenden Rückgabe-Regeln umgehen. Von den 50 geprüften Online-Shops halten sich lediglich 20 strikt an die rechtlichen Vorgaben, also Widerruf innerhalb von 14 Tagen und Übernahme der Rücksendekosten seitens der Shops nur bei einen Warenwert von über 40 Euro. Zu diesen Online-Shops gehören Conrad, Redcoon, Lidl und Ikea. Die restlichen 30 Shopbetreiber räumen Ihren Kunden mehr Rechte ein als der Gesetzgeber es fordert, beispielweise die Übernahme der Rücksendekosten auch bei Artikeln unter 40 Euro oder eine Verlängerung des gesetzlichen Widerrufsrechts. Bei der Baumarktkette Hornbach haben die Kunden zum Beispiel 30 Tage Bedenkzeit, bei Zalando sind es 100 Tage, bei Planetsport sind es ganze 365 Tage und wer bei der Modefirma Landsend bestellt, hat sogar wegen „nicht gefallen“ unbeschränkte Zeit, die Ware wieder zurückzuschicken.

Hinsichtlich dieser Ergebnisse werden mit großer Wahrscheinlichkeit die Großunternehmen weiterhin die Kosten für die Retouren übernehmen. Für David Schröder, Logistikchef beim großen Versandhaus Zalando, ist insbesondere der kostenlose Rückversand ein essenzieller Faktor, weshalb Bestandskunden immer wieder bei den großen Online-Shops bestellen. Demzufolge bestätigte Zalando gegenüber dem Spiegel, dass es in naher Zukunft keine kostenpflichtigen Retouren geben werde. Auch Amazon erklärte gegenüber dem Nachrichtenmagazin, dass Änderungen in Bezug auf die Warenrücksendungen „derzeit nicht geplant“ seien.

Neuer Wettbewerbsfaktor: Retourenkosten

Die Retourenkosten werden sich künftig zu einem noch härteren und entscheidenden Wettbewerbsfaktor entwickeln. Denn viele Kunden und besonders Frauen planen mehrheitlich ihr Einkaufsverhalten im Netz zu ändern, wenn die Verbraucherrecht- Richtlinie 2014 in Kraft tritt. Laut einer repräsentativen aktuellen Umfrage von TNS Emnid im Auftrag von Trusted Shops will jeder dritte weibliche Online-Kunde (37 Prozent) nur noch in Online-Shops einkaufen, die ihnen die Retourenkosten erstatten. Über die Hälfte (55 Prozent) von den Befragten ist sich sogar sicher, nicht mehr in ihrem Lieblings-Online-Shop einzukaufen, wenn sie die Retourenkosten selber tragen müssen.

Für Shopbetreiber ist es zu empfehlen, die eigene Retourenquote zuvor genaustens zu analysieren und anschließend zu optimieren. Denn wie die Regensburger Studie gezeigt hat, liegt im Retourenmanagement für viele Onlinehändler noch recht viel Handlungsbedarf  und Optimierungspotenzial. In dem Artikel: „Retourenmanagement im Online-Handel – erfolgreich gestalten“ wurden bereits einige Tipps zur Senkung der Retourenquote beschrieben.

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Jens Martin Baumgartner