EU zwingt Online-Händler zu Anpassungen

30.07.2014 von Jens Martin Baumgartner

EU Karte

Für „auf elektronischem Wege erbrachte sonstige Leistungen“ gilt ab dem 1.1.2015 ein neues Umsatzsteuergesetz. Künftig müssen Unternehmen – gestützt auf die EU Richtlinie L290 / 1 die Umsatzsteuer nicht mehr wie bisher im Land des Unternehmenssitzes entrichtet. Mit Inkrafttreten des Gesetzes ist der Sitz des bestellenden Kunden ausschlaggebend.1

Der Hintergrund

Der Versandriese Amazon ist der wohl prominenteste Vertreter einer ganzen Reihe an Unternehmen, die sich das steuerliche Ungleichgewicht innerhalb der EU zunutze gemacht haben. Durch den Sitz der europäischen Unternehmenszentrale in Luxemburg wurde die Steuer bisher im Großherzogtum fällig. Aufgrund der niedrigen Steuersätze (und weiterer Vorteile) erhöht das den Gewinn und erleichtert das Leben für derlei Unternehmen ganz enorm.

Nicht verwunderlich also, dass der Gesetzgeber auf der Suche nach Möglichkeiten war, den Geldstrom aus Deutschland in das Nachbarland, wenn nicht zu stoppen, dann doch zumindest anzuzapfen und die fälligen Abgaben deutscher Bürger im Land zu behalten.

Erreicht wurde das nun über den § 3 a 12 UstAE. In einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Finanzen heißt es: „Kauft ein Kunde in Deutschland bei einem Händler im europäischen Ausland ein E-Book, fällt künftig die Umsatzsteuer in Deutschland an und nicht mehr im Heimatstaat des Anbieters. Der Bundesrat hat heute dieser ab 1. Januar 2015 geltenden Neuregelung zugestimmt und damit eine europäische Vorgabe umgesetzt.“

Explizit geht es also um Digitales, sodass Versandleistungen von der neuen Regelung ausgenommen sind. Wie bei fast allen Steuerregelungen gibt es auch hier einen umfangreichen Ausnahmenkatalog: „Insbesondere in den folgenden Fällen handelt es sich um Lieferungen, sodass keine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen vorliegen:

  1.  1. Lieferungen von Gegenständen nach elektronischer Bestellung und Auftragsbearbeitung;
  2.  2. Lieferungen von CD-ROM, Disketten und ähnlichen körperlichen Datenträgern;
  3.  3. Lieferungen von Druckerzeugnissen wie Büchern, Newsletter, Zeitungen und Zeitschriften;
  4.  4. Lieferungen von CD, Audiokassetten, Videokassetten und DVD;
  5.  5. Lieferungen von Spielen auf CD-ROM.“

Alles also halb so wild? Mitnichten. Der Katalog an Leistungen, die unter das neue Umsatzsteuergesetz fallen, ist lang und (wen wundert’s) nicht unkompliziert.

Konkret gilt die neue Regelung für folgende vier Bereiche und wo künftig die Steuer im Heimatland des Bestellenden fällig wird:

  1. 1. „Digitale Produkte, wie z. B. Software und zugehörige Änderungen oder Updates;
  2. 2. Dienste, die in elektronischen Netzen eine Präsenz zu geschäftlichen oder persönlichen Zwecken vermitteln oder unterstützen (z. B. Website, Webpage);
  3. 3. von einem Computer automatisch generierte Dienstleistungen über das Internet oder ein elektronisches Netz auf der Grundlage spezifischer Dateneingabe des Leistungsempfängers;
  4. 4. sonstige automatisierte Dienstleistungen, für deren Erbringung das Internet oder ein elektronisches Netz erforderlich ist (z. B. Dienstleistungen, die von Online-Markt-Anbietern erbracht und die z.B. über Provisionen und andere Entgelte für erfolgreiche Vermittlungen abgerechnet werden).“

Wer nun also Musik, Websites, Webhosting, Wartungsdienste, Software, Texte, Informationen… kurz: Alle Arten von digitalen Diensten und Gütern auch im europäischen Ausland anbietet, wird sich erheblichen Anpassungen an Abrechnungsmodell und Webshop nicht entziehen können.

Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen sowie Start-ups, von denen ja kein kleiner Anteil auf digitale Güter setzt, ist das natürlich eine Hiobsbotschaft. Man denke nur an die Notwendigkeit, eine rechtssichere Rechnung für alle EU Staaten ausgeben zu können. Auch nicht unerheblich wird die Notwendigkeit sein, die Daten vorzuhalten und der jeweiligen EU Finanzbehörde zur Verfügung zu stellen. So gilt in Deutschland bspw. eine zehnjährige Aufbewahrungspflicht, gepaart mit der Notwendigkeit, die entsprechenden Daten bei Anfrage auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen. Ähnliche Regelungen zur Steuerprüfung oder der Vorbereitung darauf gibt es in vielen Mitgliedsstaaten.

Was tun?

Die Änderungen an Webshops werden enorme Summen verschlingen. Es werden zig Anpassungen an Rechnungen notwendig, Schnittstellen müssen aktualisiert werden, die sorgsam kalkulierten Preise müssen dynamisch angepasst werden, um auch im europäischen Ausland weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben, Rechtstexte müssen angepasst werden usw. Diese Kosten scheinen gesetzt zu sein. Ob es für diese Aufwände Hilfestellungen oder Ausnahmeregelungen gibt, dazu ist derzeit nichts bekannt.

Spott oder Hoffnung?

Um Unternehmen, denen der zusätzliche administrative Aufwand das Genick brechen kann, Last abzunehmen, plant der Gesetzgeber allerdings den „Mini-One-Stop-Shop“. Hier sollen Unternehmen in Deutschland die in EU Mitgliedstaaten abzuführenden Steuern insgesamt angeben und entrichten können. Ein Antrag auf Inanspruchnahme soll ab dem 1. Oktober möglich sein. Laut Ankündigung über ein Online-Portal. Wie das Verfahren genau läuft, welche Bedingungen es hier gibt usw. – all das ist derzeit völlig unbekannt und wird mit dem Hinweis „weitergehende Informationen […] werden  rechtzeitig veröffentlicht“ vertagt.2 Unternehmern, die darauf angewiesen sein werden, mag das wie Spott erscheinen.

1 Findet sich im Amtsblatt der Europäischen Union (L290/01) II in der Verordnung (EU) Nr 967/2012 des Rates vom 9 Oktober 2012 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr 282/2011 hinsichtlich der Sonderregelungen für nicht ansässige Steuerpflichtige, die Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen oder elektronischen Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige erbringen.

2 Pressemitteilung Bundesfinanzministerium

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Jens Martin Baumgartner